Der TransAlpineRun (TAR) hat von seiner Historie her immer als Teamlauf gegolten. Seit diesem Jahr gibt es die Option, solo zu starten. Trotzdem hat mich von Anfang an die Idee begeistert, als Team anzutreten. Durch verschiedene Zufälle habe ich Adriane kennengelernt, und eines Tages beschlossen wir, den Lauf gemeinsam zu bewältigen. So wurde aus dem „ich“ ein „wir“.
Sieben Tage als Team sind eine ganz besondere Herausforderung. Oft stellt sich erst unterwegs heraus, ob die Chemie stimmt oder nicht.
Wir haben auch Teams gesehen, die sich gestritten haben, sich gegenseitig behindert haben und den Lauf abgebrochen haben. Denn gerade, wenn jeder an seine Grenzen kommt, wird es spannend…
💡 Erkenntnis 1️⃣ Commitment für uns als Team
Jeden Tag auf der Strecke gibt es verschiedene Zeitmesspunkte und Versorgungsstationen. Die Regeln besagen, dass der Zeitunterschied der beiden Läufer 2 Minuten nicht überschreiten darf. Wir mussten also zusammenbleiben und unsere Laufgeschwindigkeiten anpassen. Das klingt so einfach, ist es aber nicht. Jeder, der sich mal mit langen Wanderungen wie dem Jakobsweg beschäftigt hat, weiß, dass Teams dabei oft keinen Sinn ergeben. Hier lautet die Regel eher: Jeder geht sein Tempo. Was uns geholfen hat, war das klare Commitment für uns als Team. Uns war klar, wir treten als Team an und finishen auch als Team. PUNKT. So haben wir beide unsere Egos heruntergeschraubt und als Team funktioniert.
💡 Erkenntnis 2️⃣ Vergleichen kann eine Falle sein
Der TAR wurde zum 18. Mal ausgetragen und ist ein etabliertes Event in der Szene. In diesem Jahr starteten 865 Athleten aus 36 Ländern ihre Reise über die Alpen. Alle sind erstklassige Läufer, und einige betreiben den Sport sogar professionell. Sich mit diesen Menschen zu vergleichen, führt schnell zum Unglück.
„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“
– Søren Kierkegaard
Es gibt immer jemanden, der schneller ist. Es gibt immer ein Team, das schneller ins Ziel kommt. Es gibt immer jemanden, der reicher, berühmter usw. ist.
… Ihr kennt das Spiel… Es hört nie auf. Ich kann dieses Denken auch nicht immer abschalten; manchmal kommen diese Gedanken einfach hoch. Dieser Lauf hat mir immer wieder gezeigt, dass ich angetreten bin, um meine eigenen Ziele zu erreichen. Nicht, um mich mit anderen zu vergleichen. Auch wenn es verlockend war, auf die Ranglisten und Zeiten zu schauen. Und manchmal darf man dafür natürlich auch stolz sein, versteht mich nicht falsch. Aber wenn ich mich wirklich mit jemandem messen möchte, dann vergleiche ich mich mit mir selbst. Und mit meinen vorherigen Leistungen.
Getreu dem Motto: beat YOUR yesterday
💡 Erkenntnis 3️⃣ Fokus und Achtsamkeit
💡 Erkenntnis 4️⃣ Upsets, Niederlagen, emotionale Momente
💡 Erkenntnis 5️⃣ Die Kräfte einteilen: Sustainable Pace
Ich weiß nicht, ob ich die 7 Tage ohne meine Laufpartnerin Adriane geschafft hätte. Sie war eine großartige Pacemakerin. Ihre Einteilung der Kräfte war weise. Ich hätte wahrscheinlich in den ersten Tagen viel zu schnell angefangen und wäre in den typischen Anfängerfehler gefallen. Dann wären mir möglicherweise die Kräfte ausgegangen, oder ich hätte mich verletzt, weil ich zu viel Risiko eingegangen wäre. Adriane hat von Anfang an ein nachhaltiges Tempo vorgegeben, so dass wir uns die 7 Tage sogar steigern konnten. Das klingt so logisch und einfach, war es aber nicht.
Wir wussten nicht genau, welche Belastungen auf uns zukommen würden. Natürlich kannten wir die Kilometeranzahl, aber mit einigen Dingen hatten wir nicht gerechnet. Der Körper macht während so eines Laufs einiges mit: Um es greifbar zu machen, habe ich einige interessante Fakten gesammelt:
👉 In den 7 Tagen waren wir insgesamt 43 Stunden auf der Rennstrecke. Schlaf hatten wir in diesen Tagen nicht viel. Manchmal mussten wir vor 4 Uhr aufstehen. Auch die Schlafqualität war nach dem zweiten Tag völlig dahin. Ich kam nicht mehr in den Tiefschlaf und lag oft lange Zeit wach. Das waren Dinge, die ich so gar nicht kannte – eine völlig neue Belastung.
👉 Bei jedem Schritt bergab wirkt das Siebenfache des Körpergewichts auf die Gelenke. Das bedeutet über die Tage hinweg eine Belastung von 8.000 Tonnen pro Knie, pro Knöchel usw.
👉 Ich habe über 20.000 Kalorien verbrannt, das entspricht mehr als 26 Pizzen 🍕 So viel kann man die Zeit über gar nicht essen.
👉 Meine Uhr hat einen Flüssigkeitsverlust von über 30 Litern berechnet.
Meine Sportuhr, die diese Schätzungen errechnet, überwacht auch viele weitere Körperfunktionen. Nach dem dritten Tag lagen die Messwerte für den Ruhepuls und die Herzvariabilität deutlich im roten Bereich. Normalerweise sind das Anzeichen dafür, dass man eine Pause einlegen sollte. Aber das Faszinierende ist: Der Körper liefert immer noch seine Leistung, solange man es nicht übertreibt und die Kräfte klug einteilt.
Zum Schluss ...
Schlussworte von Adriane
„Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen“
– Dies ist nicht nur eine bekannte Liedzeile, sondern auch der Leitspruch unseres TransAlpine Run Abenteuers. Danke, Sven, dass du mir gezeigt hast, was es bedeutet, aufeinander Acht zu geben und ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Dieses Abenteuer hätte ich ohne dich nicht bewältigen können. Brauchte ich Hilfe, warst du sofort und unaufgefordert zur Seite um mir zu helfen, egal was um uns herum passierte.
Du hast uneigennützig den Gedanken des Miteinanders verfolgt und mich zu keiner Sekunde glauben lassen, dass ich dir das Rennen vermiesen oder dich ausbremsen würde. Im Gegenteil, du hast auf den richtigen Moment gewartet, wenn ich meine Kräfte wiedergewonnen hatte und wieder auftreten konnte. Dann hast du mich daran erinnert, dass noch mehr in mir steckt.
Ich erinnere mich an deine Worte: „Trau dich zu überholen, das ist jetzt nicht mehr deine Pace.“ In Momenten wie diesen warst du eine unglaubliche mentale Unterstützung. So hast du das Beste aus mir herausgeholt, und gemeinsam haben wir gegen Ende des Rennens sogar wieder Plätze gutgemacht.